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Mittwoch, 11. März 2020

Zu Gast bei ...Miriam in Póvoa de Varzim

Premiere auf Philuko — diese Homestory führt uns erstmals in den Süden, genauer nach Portugal, wo Miriam mit ihrem portugiesischen Mann Pedro Seixas, Fotograf aus Porto, einen Schatz von Zweitwohnsitz gefunden und eingerichtet hat. Entdeckt habe ich ihre Fotos auf Instagram und war so was von begeistert (mehr auf frau.kieselstein).

Miriam und Pedro wohnen in Hamburg und arbeiten beide bei einer großen PR Agentur. Ihr Job ist recht digital, was ihnen erlaubt, von Zeit zu Zeit auch von Portugal aus arbeiten zu können, wo sie in Póvoa de Varzim im Frühjahr 2019 ihre wirklich beneidenswert schöne Wohnung gefunden haben — sie liegt eine Straße vom Meer entfernt. (Noch mehr Neid!)

Miriam kommt ursprünlich aus der Kultur, hat Kunst- und Kulturwissenschaft studiert und ein Volontariat an einem Museum für zeitgenössische Kunst gemacht. Danach arbeitete sie einige Jahre als freie Produzentin am jungen Theater. Die Beschäftigung mit Kunst und Stilen war lange Zeit Miriams Job, das spiegelt sich auch in ihren vier Wänden wider.

Lest unter den Bildern, wer der prominente Vorbesitzer dieser Traumwohung war und welches skandinavische Magazin sie zum „Instagrammer of the week“ kürte. Hereinspaziert in Miriams portugiesischen Wohntraum!

Alle Fotos © Miriam / frau.kieselstein























Miriam, du bist die erste, die mit einem Zweitwohnsitz bei mir mit einer Homestory vertreten ist — und zwar mit einem wunderschönen in Portugal! Wie kam es dazu? Erzählst du uns deine Geschichte?

Das Örtchen heißt Póvoa de Varzim und liegt eine halbe Stunde nördlich von Porto, direkt am Atlantik. Es ist ein Lebenstraum, der für uns in Erfüllung gegangen ist, denn mein Mann wollte sehr gerne ein zweites Zuhause in seiner alten Heimat haben und ich wollte schon immer einen Wohnsitz am Meer, das ich über alles liebe. Beides hat sich für uns nun erfüllt, und wir sind superhappy, dass wir nach gut einem Jahr Suchen dieses Juwel entdeckt haben. 


Die Suche war am Anfang ziemlich frustrierend. Wie überall in Europa sind auch in Portugal die Preise für Immobilien seit der Finanzkrise explodiert, wir haben uns viele Immobilien angesehen zu wirklich unverschämten Preisen. Irgendwann haben wir unsere Suche erweitert von Porto in die umliegenden Orte und sind dann recht schnell fündig geworden. 115 liebevoll renovierte Quadratmeter plus kleiner Terrasse und Patio warteten auf uns! Die Vorbesitzer, eine Familie recht bekannter Architekten aus Lissabon, hatten das Haus überaus behutsam renoviert und so viele alte Elemente wie möglich erhalten, ein großes Glück für uns, denn wir beide lieben Altbau und haben tatsächlich ausschließlich danach gesucht. 

Das Haus hat zudem eine besondere Geschichte — es war das Wohnhaus von Antonio dos Santos Graça, ist über unserer Haustür sogar eingemeißelt. Der war um die Jahrhundertwende Senator von Porto (das ist so etwas wie Ministerpräsident) und trug mit dazu bei, die damalige Monarchie zur Demokratie umzubilden. Außerdem war er ein linker Intellektueller, der nebenbei als Schriftsteller und Ethnologe arbeitete und mehrere Bücher veröffentlichte. Es ist so toll darin zu lesen, wie er Schriftstellerfreunde bei sich zu Hause empfängt und sie die Abende damit zubringen, über ihre neuen Werke zu diskutieren, während man bei uns im Wohnzimmer sitzt und sich vorstellt, dass es vermutlich genau hier vor 100 Jahren statt gefunden hat.

Wie oft seid ihr an diesem traumhaften Ort?

 
Siehe oben — so oft es geht, Urlaub und zeitweise Home Office.

Gab es Schwierigkeiten oder Hürden bei der Renovierung?

Renovieren mussten wir glücklicherweise nicht, die Wohnung war bei Kauf in Top-Zustand. Allerdings waren sämtliche Holzpaneele sowie Türen und Fenster in leuchtendem Gelb lackiert (auf einigen Fotos im Feed bei mir siehst du das auch noch, wir nehmen uns gerade Raum für Raum vor zum neu Streichen). Das hat allerdings einen besonderen Hintergrund, denn das ist der historische Originalfarbton. Nicht zufällig trug die Familie im Ort den Spitznamen „os Amarelos“ (die Gelben). Die Fassade dürfen wir daher nicht verändern, aber in der Wohnung streichen wir. Ansonsten ist nur der Aussenbereich renovierungsbedürftig. Die Terrasse wollen wir gern dieses Jahr machen, Patio wird eine größere Baumaßnahme, das machen wir mal irgendwann wenn wir Geld und Zeit übrig haben (würden hier gern einen Vertical Garden anlegen lassen, da rundherum Mauern sind).

Hattest du ein „Einrichtungskonzept“? Wie habt ihr das Einrichten logistisch gelöst?

Ich habe recht schnell gemerkt, dass ich mit dem typischen Skandistil dort nicht weiter komme. Er wirkte im mediterranen Süden unpassend und in dem intensiveren Licht erschien die nordische Farbpalette total blass. Zwar wollte ich mich nicht komplett von einigen Skandilieblingen verabschieden, aber es brauchte etwas südlichen Pepp, sowohl was Farben als auch Materialien betraf. So war die Idee fürs Terrakotta recht schnell geboren.

Und ja, ich erstelle immer zuerst ein Farbkonzept, dann kommen Strukturen hinzu und dann recherchiere ich passende Möbel. Auch wenn es in der Regel recht geplant zugeht, heißt das aber nicht, dass ich spontane Aktionen ausschließe — tatsächlich kommen die besten Entscheidungen dann doch aus dem Bauch, wie die leuchtend lilafarbene Wand bei uns.

Das logistisch zu lösen war bzw. ist nach wie vor eine Herausforderung — viele Firmen, bei denen ich in Deutschland gern bestelle, liefern nicht nach Portugal und ich kenne die Infrastruktur dort noch nicht so gut, dass ich leicht auf Ersatz ausweichen könnte. Für die Anlieferung unterstützt uns die Familie meines Mannes vor Ort und Paula, die liebe Ladenbesitzerin unten bei uns im Haus, die schon einige LKW-Ladungen angenommen und die Tür aufgeschlossen hat. Ohne die tatkräftige Unterstützung so lieber Menschen vor Ort wäre das alles gar nicht machbar!

Wie würdest du deinen Wohnstil beschreiben?

Ein eklektizistischer Mix aus skandinavischen Klassikern und dem entspannten Boho-Stil Südeuropas, mit viel Kunst und einigen lokalen Designfunden angereichert. Ich liebe Brüche, das Unerwartete, und löse mich gern von tradierten Erwartungen oder Stilen.

Woher nimmst du deine Inspiration für deine Einrichtung? Hattest du schon immer eine Leidenschaft für Möbel?

Tatsächlich inspiriert mich alles. Ich glaube, ich bin eine ganz gute Beobachterin und habe einen Blick für Details, daher kann ich jederzeit Inspiration aus meinem direkten Umfeld schöpfen. Das kann der Kleidungsstil sein der Frau, die mir in der S-Bahn gegenüber sitzt, zufällig platzierte Gegenstände auf unserem Esstisch, bunte Hausfassaden in einer fremden Stadt. Oder eben die Kunst —sei es im Museum oder auf der Straße in Form von Graffiti. Außerdem liebe ich raumgreifende Installationskunst, weil sie mit unserer Wahrnehmung von Räumlichkeit spielt, das inspiriert mich ebenfalls immer sehr!

Ja, wenn ich so zurück denke hat mich das tatsächlich schon immer begeistert. Schon als kleines Mädchen habe ich am liebsten mit meinem Puppenhaus gespielt. Aber nicht, um Familie zu spielen, die Puppen waren mir egal und sie verschwanden recht schnell in einem Karton, aber ich liebte, die Räume immer wieder neu zu dekorieren und bastelte allerlei dafür. Als Studentin holte ich auch aus Budgetgründen viele Möbel vom Sperrmüll oder Flohmarkt, die ich dann selbst aufarbeitete. Tatsächlich bin ich ein ziemlicher Autodidakt und brachte mir das fachgerechte Restaurieren antiker Möbel komplett selbst bei. Noch heute arbeite ich sehr gern mit den Händen und werkele an Sachen für die Wohnung rum, der perfekte Ausgleich zum Büro.

Liest du Wohnzeitschriften?

Klar, und vermutlich die, die auch alle anderen lesen: Die Couch, die Living at Home und wenn ich in Dänemark bin hole ich mir gern die Bolig, für mich eines der inspirierendsten Interiormagazine überhaupt (umso mehr habe ich mich geehrt gefühlt, von ihnen vor kurzem als Instagrammer of the week ausgewählt worden zu sein). Aber wie gesagt, meine eigentliche Inspiration hole ich mir eher in fachfremden Bereichen.

Welches ist dein Lieblingsmaterial?

Kann ich gar nicht so genau sagen, das wechselt oft und erst der Mix mit verschiedenen kontrastierenden Materialien wird spannend. Grundsätzlich liebe ich aber alle Arten von Holz, besonders helle Eiche zieht mich momentan magisch an.

Welche ist deine Lieblingsfarbe?

Tatsächlich habe ich keine. Ich mag wirklich alle Farben gern. Spannend werden Farben, wie auch Materialien, sowieso erst in der Kombination. Generell bin ich ein Freund von Farben, auch wenn ich andere Feeds immer um ihren cleanen Look in Beigetönen bewundere, könnte ich das niemals durchhalten. Dafür finde ich Farben einfach viel zu spannend!

Welche Künstler magst du gerne?

Auch hier habe ich nicht „den einen“ Künstler und mag tatsächlich sehr verschiedene Stilrichtungen. Prägend waren aber sicherlich die großen Künstler der Moderne, ich liebe die Formensprache eines Paul Klee und den Umgang mit Farbe bei Van Gogh. Ich lasse mich aber auch gern inspirieren von junger Street Art und liebe die Art, wie sie urbanen Raum in neue Kontexte setzt. Und dann gibt es auch noch politische Kunst, die mich oft tief berührt und aufwühlt, Santiago Sierra und Ai Wei Wei beispielsweise.

Welche Wohnanschaffung steht ganz oben auf deiner Liste?

Oh, die Liste ist recht agil und nicht sonderlich strukturiert. Jetzt gerade freue ich mich am meisten, dass unser Schrank von HK Living eingetroffen ist (aus der gleichen Serie wie unser Sideboard) und wir demnächst das Schlafzimmer umstylen — es wird ein Mix aus japanischer Formensprache und Boho-Materialien, natürlich wieder recht farbenfroh, aber eine andere Palette als im Wohnzimmer, man darf gespannt sein...

Wo kaufst du deine Möbel?

Hauptsächlich online, wichtigstes Kriterium: liefern sie nach Portugal?

Hast du ein Lieblingsmöbel bei dir zu Hause?

Ich mag alle unsere Möbel sehr gern und wähle sehr sorgfältig aus. Besonders gefeiert habe ich aber unser Sideboard, das liebe ich wirklich sehr und es passt perfekt zum Look.

Wo ist dein Lieblingsort in der Wohnung?

Oh, da gibt es so viele! Sehr gern sitze ich in unserem Wintergarten, am liebsten in der Sonne bei geöffneten Fenstern. Da das Meer nur eine Straße entfernt ist, kann man je nach Windrichtung die Wellen rauschen hören. Das liebe ich!

Ansonsten finde ich es aber auch toll, vorn auf unserem kleinen französischen Balkon zu sitzen und das bunte Treiben der Straße zu beobachten. Unser Haus ist in der Fußgängerzone und man kann ganz wunderbar die Passanten und Ladenbesitzer bei einer Tasse Kaffee beobachten. Außerdem führt einer der Jakobswege durch die Straße, es gibt also recht viele Touristen auf der Durchreise nach Santiago.

Wo ist dein Lieblingsort in Póvoa de Varzim?

Zum einen natürlich am Strand, der tatsächlich sehr weitläufig ist. Nicht zufällig ist der Ort in Portugal und Spanien ein bekannter Badeort. Zum anderen gibt es eine ganz wunderbare Restaurantszene in dem Ort — eines unserer liebsten Restaurants ist das Theatro, das alte Stadttheater, das vor einem Jahr umgebaut wurde und bereits zu den besten Restaurants in Portugal gehört. Es ist ein wunderschöner Bau aus dem 20. Jahrhundert und beherbergt zugleich einen Buchladen, man ist beim Essen also von Büchern umgeben und kann hin und wieder auch einer Lesung lauschen während des Essens. Eine ganz besondere Atmosphäre!

Wohin wolltest du schon immer mal reisen?

Vietnam und Chile stehen bei uns ganz oben auf der Liste! Ich liebe die bunten Farben Asiens und das Essen! Aus Chile kommt eine meiner besten Freundinnen und wir planen seit Jahren eine Rundreise. Ansonsten würde ich gern noch einmal nach Island — es ist einfach magisch dort!

Welche Musik hörst du zur Zeit gerne?

Oh, das wechselt und ist sehr stimmungsabhängig. Ich bin eher eine Indietante und mag Singer Songwriter recht gern. Daughter ist in dem Bereich eine meiner Lieblingsbands. Ich mag aber auch guten Elektro, Robot Koch, John Hopkins oder Moderat. Und natürlich darf auch portugiesische Musik nicht fehlen an der Stelle! Luisa Sobral ist eine moderne Vertreterin des Fado, die ich sehr gern höre. Ansonsten kann ich noch Dead Combo empfehlen, tolle Gitarren! Und im Singer Songwriterbereich ist Noiserv für mich der Mann der Stunde Portugals.

Hast du einen Lieblingsschriftsteller? Welches Buch kannst du empfehlen?

Ich muss gestehen, dass ich recht wenig Bücher gelesen habe in den letzten Jahren. Allerdings bin ich ein großer Fan von Literatur des 20. Jahrhunderts. „Das Paradies der Damen“ von Emile Zola finde ich unfassbar spannend, da es sehr bildgewaltig das Leben im Zeitalter beginnender Industrialisierung beschreibt, der Automatisierung und ja, fortschreitenden Kapitalisierung der Gesellschaft, mit all seinen Verheißungen und Abgründen — und das aus der Perspektive der Frauen.

Daneben liebe ich die Bücher von Virginia Woolf. Ihrer eindringlichen Sprache und sensiblen Bestandsaufnahme innerer Gefühlswelten kann man sich nur schwer entziehen. Außerdem bin ich ein Fan von kunstvollen Graphic Novels — habe mir letztes Jahr eine beeindruckende Version von Dr. Jekyll und Mr. Hyde bei Lello geholt, der berühmten Buchhandlung in Portos Altstadt (angeblich wurde J.K. Rowling dort inspiriert zu Harry Potter).

Und ein besonderer Schatz ist für mich auch „Der Mordbrand von Œrnolfsdalur“, erschienen im Galiani Verlag in Berlin. Es versammelt einige der bekanntesten Islandsagas, neu erzählt und sehr kunstvoll illustriert. Ich glaube, da kommt die Kulturwissenschaftlerin in mir durch, denn als solche interessiere ich mich tatsächlich sehr für die Märchen und Sagen einer Kultur, die diese ja oft bis heute prägen als Teil kultureller Identität.

Oh, und noch eines meiner Lieblingsbücher, das sich auch toll als Geschenk eignet, weil es nie an Aktualität verliert und geprägt ist von einem anrührenden, kindlichen Humor, der zugleich so philosophisch-tiefgründig ist wie „Der kleine Prinz“: „Findet mich das Glück?“ des bekannten Künstlerduos Fischli und Weiß. Großartig!

Ansonsten liebe ich toll illustrierte Kinderbücher und habe mittlerweile tatsächlich schon eine kleine Sammlung. Eines meiner Lieblingsbücher und neuesten Entdeckungen ist eine Neuerzählung des Klassikers Moby Dick. Es ist ein Bilderbuch mit nur wenigen Sätzen pro Seite, dafür aber sehr kunstvollen Bildern, die vor Phantasie nur so sprudeln. Es heißt „Arhab e a baleia branca“ von Manuel Marsol, kommt ursprünglich aus dem Spanischen und hat zu Recht bereits mehrere Preise gewonnen.
 

Vielen Dank an Miriam für die Fotos und das interessante Interview!

Mittwoch, 29. Januar 2020

Zu Gast bei ...Kerstin in Bamberg

Kerstin, 53, lebt, zusammen mit ihrem Mann Mot, dem 14-jährigen Sohn Yanis und der 8-jährigen Labradordame Paula, in Bamberg. Vor 10 Jahren haben sie ihr über 100 Jahre altes Haus gekauft, das sie treffend als „Villa Kunterbunt“ bezeichnet. 

Kerstin, die Bekleidungstechnische Assistentin gelernt und Sozialpädagogik studiert hat, arbeitet als Arbeitstherapie-Anleiterin in einer Tagesstätte für psychisch und Suchtkranke. Die Textilwerkstatt hat sie mit aufgebaut. 

Ihr Hobby: alles rund ums Kreativsein, mit Schwerpunkt textile Handarbeit wie Nähen, Häkeln, Stricken, Weben oder Sticken. „Meine Kreativität ist einem stetigen Wandel unterworfen. Ich habe großes Interesse an neuen Ideen und ich mag in keiner Schublade bleiben.“ 

Ich bin fasziniert von Kerstins wunderschönem Haus und der Buntheit, die alles übertrifft, was ich bisher an bunt kannte! Hereinspaziert in Kerstins Villa (mehr Einblicke auf ihrem Insta-Account jansschwester)!

Alle Fotos @ Kerstin / jansschwester



















Ihr lebt in einem über 100 Jahre alten Haus – wie toll! Wie seid ihr da dran gekommen?

Wir fanden das Haus tatsächlich auf Immoscout24 am Tag der Veröffentlichung und hatten zwei Tage später einen Termin, nach dem wir sofort zugesagt haben. Davor haben wir allerdings jahrelang erfolglos gesucht. Unser Haus steht in einem Viertel, in das ich eigentlich nicht ziehen wollte. In der Anzeige wirkte das Haus aber so charmant, dass wir gleich eine Besichtigung vereinbarten. Und als wir das erste Mal die Straße sahen und das liebevoll restaurierte Haus mit dem schönen Garten, waren alle Vorbehalte sofort über Bord! Wir lieben unsere Ecke inzwischen sehr und sind gesegnet mit ein paar extrem netten Nachbarn.

Bei mir sagen Gäste immer „Oh, schön bunt!“ – aber bei euch ist das eine andere Liga, wow! Hast du schon immer eine „Vorliebe für Bunt“ gehabt?

Oh ja, unsere Gäste, die das Haus zum ersten Mal sehen, sind meist sehr geflasht. Wir hatten sicherlich schon immer ein Faible für ungewöhnliche Einrichtung, aber es gab auch schon gedecktere Phasen. Ich glaube, im Moment ist unser Bunt-Zenit langsam überschritten, ich empfinde gerade wieder eher eine dezentere Stimmung. Aber eine Prise bunter Kitsch oder plakativer Sixty Style wird uns noch länger begleiten.


Du arbeitest seit 10 Jahren in einer Tagesstätte für Sucht- und psychisch kranke Menschen als Anleiterin und Designerin in einer Textilwerkstatt. Wie sieht ein typischer Tag dort aus?

Ich habe einen Teilzeitjob und mein Tag im IdeenWerk startet in der Regel um 9.00 Uhr. Wir haben derzeit knapp 20 Klienten, von denen aber nicht immer alle da sind und auch nicht alle sind in der Nähwerkstatt. Aber diejenigen, die gerne nähen möchten, dürfen verschiedene Projekte, die wir oft gemeinsam entwickeln, in ihrem Tempo nähen. Ich bringe den Klienten, falls nötig, das Nähen oder andere textile Techniken bei. Meist ist die Stoffauswahl von mir, und ich bestimme auch die Art der Produkte. Die Schnitte erstellen wir ebenfalls selbst. Da wir alle fertigen Produkte in einem Laden in Bamberg und auf Märkten verkaufen, achte ich auf eine Linie und auch auf Trends.

Unser Material und die vielen Nähmaschinen beziehen wir überwiegend aus Spenden. Bei uns ist fast alles Upcycling und es gibt nur Unikate. Wir haben auch viele andere Angebote, wie z.B. Kochen, Vorlesen, Spaziergänge, Ausflüge und und und… Das machen aber meine zwei Kollegen. Ich biete  neben dem Nähen darüber hinaus alle möglichen anderen kreativen Techniken an, von Häkeln, Stricken, Sticken, Malen... Das wäre ein eigener Artikel, wenn ich das ausführlicher behandeln würde. Manche unserer Werke sind bei Instagram zu sehen. Ich liebe meinen Job, er macht mir großen Spaß und Freude! Es ist sicherlich nicht immer einfach, aber es erfüllt mich trotzdem sehr.

Davor hast du 17 Jahre in einer Stickfabrik gearbeitet, interessant! Was waren dort deine Aufgaben?


Da habe ich überwiegend am Computer mit einer speziellen Software Stickprogramme für computergesteuerte Stickmaschinen erstellt. Ich habe eine Ausbildung zur Bekleidungstechnischen Assistentin und nach meiner Ausbildung in der Stickereifabrik zusätzlich den Umgang mit dem Computerprogramm und den Stickmaschinen gelernt. Das war die Zeit, wo die Produktion der Kleidung immer mehr ins Ausland verlagert wurde und die Technisierung zunahm. Mein damaliger Arbeitgeber wollte seine Produktionsstätte in Deutschland unbedingt erhalten und weigerte sich, die Produktion ins Ausland zu verlagern. Ein Balanceakt… sein Zugeständnis an die Modeindustrie war die Lieferung von Stickdateien. Die Muster-Stickereien wurden dann meist bei uns erstellt, die Prototypen und Messemuster auch, und dann konnte der Kunde das Programm kaufen, um im Ausland die Produktion zu veranlassen. Ich war mit unseren Kunden im engen Kontakt, war auf manchen Messen und oft auch kreativ tätig. Nach der Geburt meines Sohnes war mir dann aber nach Veränderung, so kam ich zu meinem jetzigen Job.

Hattest du schon immer eine Leidenschaft für Möbel und das Einrichten?

Ja, irgendwie schon. Als Mädchen hatte ich mir eine hübsche Tapete mit Orangen ausgesucht und meine Eltern haben alte Möbel mit DC Fix beklebt, da es eine Low-Budget-Lösung sein musste. Später habe ich die Rauhfaser mit einem Baum mit Dispersionfarben und Wasserfarben bemalt. Meine möblierte Studentenbude habe ich zum Leidwesen des Hausmeisters ausgeräumt, um meine eignen Möbel unterzubringen. Und weil ich eigentlich immer ein eingeschränktes Budget hatte, habe ich stets versucht, vieles selbst zu machen, zu improvisieren und eher individuell zu gestalten. Stichwort Sperrmüll, mein Eldorado… bis heute. Viele unserer Möbel sind vom Sperrmüll bzw. gebraucht gekauft und oft wurden sie umgestaltet. Mir sind Dinge mit Geschichte sehr sympathisch und es muss nicht teuer oder trendy sein — und schon gar nicht von der Stange.

Wie würdest du deinen Wohnstil beschreiben?

Das finde ich ehrlich gesagt eine schwierige Frage, da ich keine spezielle Stilrichtung anstrebe, sondern eher versuche verschiedene Stile zu mixen. Zur Zeit gibt es hier im Haus auch einen Wandlungsprozess. Es gibt diese ganz bunten, teilweise kitschigen Ecken und in anderen Bereichen habe ich gerade wieder mehr auf Naturmaterialien und weniger Farbe umgestellt. Das Haus ist ständig im Wandel. So wie wir auch. Das möchte ich gerne abbilden. Ich liebe kleine Details, habe ein Faible für eine Prise Kitsch, gerne mit einer Note Poesie. Aber auch meine Liebe zu den 70ern ist überall zu entdecken. Gemixt mit alten Schränken und vielen Textilien ergibt sich hier ein buntes Sammelsurium — oder vielleicht eine Villa Kunterbunt.

Interessierst du dich für Kunst? Hast du einen Lieblingskünstler?

Ja, ich interessiere mich sehr für Kunst. Ich brauche immer wieder einmal einen Museumsbesuch, oder ähnlichen Input als Inspirationsquelle. Moderne Kunst liegt mir sehr, da lasse ich mich immer gerne überraschen. Ich mag ganz viel verschiedene Kunst und kann mich deshalb für keinen Lieblingskünstler entscheiden. Aber es gab eine Lieblingsausstellung, die ich vor zwei Jahren in Amsterdam sehen durfte. Das war im Stedelijk Museum eine Ausstellung von Studio Drift. Das war so atemberaubend schön und so wahnsinnig faszinierend. Die totale Begeisterung hält bis heute an! In meinem Insta-Account gibt es eine Story in meinen Highlights davon. Unbeschreiblich…

Liest du Wohnzeitschriften?

Ja, manchmal, ich liebte früher die „Living and More“ und die „We love living“. Da habe ich jede Ausgabe verschlungen und fand darin endlos Inspiration. Heute habe ich keine vergleichbare Zeitschrift mehr. Ich blättere gerne mal hier und da, und das Couch Magazin gucke ich gerne an, da gibt es immer wieder Wohnungen zu sehen, die einen eigenen Stil haben. Die eher neuen Zeitschriften wie „Cosy“ und „Sense of Home“ finde ich teils auch noch ganz interessant.

Welches ist dein Lieblingsmaterial?

Ganz eindeutig Textilien. Das hängt sicherlich mit meiner Ausbildung und meinen Jobs zusammen, die immer mit Textilien zu tun hatten und haben… Aber schon als Kind war ich glücklich, wenn ich aus den Stoffresten meiner Mutter Puppenkleider machen durfte (die erste Kollektion war übrigens geklebt, weil ich noch nicht nähen konnte).

Ich finde, dass man mit Textilien einen Raum so sehr und so schnell gestalten kann. Vorhänge, Decken und Kissen muss ich ständig ändern, damit kann ich immer ganz flink einen neuen Kontext herstellen, das mag ich sehr. Viele Textilien hier sind Vintage. Ich stöbere sehr gerne auf Flohmärkten nach alten Stoffen. Und ich fertige natürlich auch gerne selbst Kissen etc. an.

Welche deine Lieblingsfarbe?

Bunt. Aber Rosa, Blau, also Royalblau und Nachtblau, Schwarz und Gold sind jetzt gerade besondere Favoriten.

Welche Wohnanschaffung steht ganz oben auf deiner Liste?

Wir haben wirklich alles, was man braucht, und auch gar keinen Platz mehr, aber ich träume seit Jahren von einem neuen Tisch… und einem Tulip Armchair. Nicht unbedingt das Original, eine Kopie würde mir auch schon gefallen. Aber ich warte noch darauf, dass sich was ergibt.

Wo kaufst du deine Möbel?

Also wie ja schon beschrieben, ist vieles hier vom Sperrmüll, aus Sozialkaufhäusern und Trödelläden. Manches haben wir von Freunden oder Familie „geerbt“, Und die paar neuen Möbel kommen von Ikea oder Maison du Monde. Unser Bett haben wir hier in Bamberg in einem Laden gekauft, der nur Ökomöbel und Bettwaren anbietet. Das Hochbett meines Sohnes hat mein Mann selbst gebaut.

Hast du ein Lieblingsmöbel bei dir zu Hause?

Ach, irgendwie mag ich sie alle. Und doch sind sie alle nur Möbel, die mich im Moment begleiten…

Wo ist dein Lieblingsort in der Wohnung?

Wenn ich in meinem Arbeitszimmer kreativ werkeln kann, bin ich glücklich! Aber seit ich eine Wand im Gästezimmer von der Rauhfaser, mit der das ganze Haus vom Vorbesitzer tapeziert wurde, befreit habe, ist dieses Zimmer mein liebstes.

Ich liebe die völlig veränderte Atmosphäre durch die Wand, auf der noch Spuren von der ganz ursprünglichen Wandgestaltung von vermutlich über 100 Jahren zu sehen sind.

Es juckt mich gewaltig in den Fingern. Nicht alle Wände sind Original erhalten, aber bei einigen vermute ich noch die Möglichkeit, auf den alten Putz zu stoßen. Ich werde da auf jeden Fall noch weitere Versuche unternehmen.

Wo ist dein Lieblingsort in Bamberg?

Die gesamte Innenstadt Bambergs, die wir schnell erreichen können, ist richtig hübsch und es gibt noch ein paar nette Läden und viele tolle Cafés und Kneipen. Dann gibt es noch einen schönen Stadtpark mit Flussbad, und viel hübsche angrenzende Natur. Da wir ja einen Hund haben, nutzen wir die vielen idyllischen Spaziermöglichkeiten hier.

Wohin wolltest du schon immer mal reisen?

Nach New York, aber das habe ich bisher irgendwie noch nicht hinbekommen.

Welche Musik hörst du zur Zeit gerne?

Ich höre eher ruhige bis melancholische Musik. Ich bin sehr großer Fan von Nick Cave. Aber auf meiner Party-Liste findet sich auch Earth, Wind and Fire, Großstadtgeflüster oder Vicky Leandros etc. Ich mag auch da viel Verschiedenes und freue mich immer über Neuentdeckungen.

Hast du einen Lieblingsschriftsteller? Welche Bücher kannst du empfehlen?

Ja, John Irving. Von ihm liebe ich alles, und ich hoffe sehr, dass es bald mal wieder was von ihm gibt. Ich habe aber natürlich auch viele andere gute Bücher gelesen. In den letzten Jahren fand ich Bücher von Dörte Hansen, Mariana Leiki oder Celeste Ng besonders beeindruckend.

Durch eine Krebserkrankung hast du dich intensiv mit dem Themen Sport, Entspannung und Ernährung befasst – du bezeichnest sie als deine neuen Hobbies. Was machst du heute anders als früher?

Als ich die Diagnose bekam, habe ich sofort meine Ernährung umgestellt. Im Laufe der Zeit habe ich dann immer wieder neue Erkenntnisse gewonnen, und versucht meine Ernährung anzupassen. Das Buch „Der Ernährungskompass“ von Bas Kast hat mich sehr inspiriert. Ich finde es sehr spannend, dass ich mich durch meine Ernährungsumstellung viel wohler fühle, und mich von meinen Gewichtsproblemen verabschiedet habe, ganz ohne Kalorienzählen. Ich folge auf Instagram mittlerweile Foodblogs, wie z.B. Syl loves. Bei ihr habe ich auch einen Fermentier Kurs gemacht, was ganz toll für mich war.

Aber ich bin erst am Anfang meines Weges, da werde ich sicherlich in der nächsten Zeit noch weiter dran arbeiten. Ebenso an meiner sportlichen Betätigung, die gerade auch etwas zu kurz kommt. Zu meinem Yoga-Kurs schaffe ich es glücklicherweise fast immer, aber eigentlich würde ich gerne regelmäßig Nia machen, Ergometer und Schwimmen. Vielleicht wird es jetzt im neuen Jahr wieder einfacher.

Ein Waldspaziergang mit unserer Hündin Paula findet aber glücklicherweise fast täglich statt. Ansonsten versuche ich Meditation in meinen Alltag einzubauen, und ich achte besser auf genug Schlaf. Ich habe begriffen, dass ich auf mich acht geben muss. Es gelingt mir nicht immer, aber ich bleibe dran und versuche Verhaltensmuster, die mir nicht gut tun, zu ändern.

Was sagt euer 14-jähriger Sohn zu seiner bunten Wohnumgebung? Sieht sein Zimmer anders aus?


Er ist es ja nicht anders gewöhnt, aber er hat sich in seinem Zimmer mittlerweile auch abgegrenzt. Wir haben das Zimmer vor einiger Zeit gemeinsam umgestaltet. Ich mag es richtig gerne, er hat ein cooles Sofa, einen alten Spind und einen alten Ledersessel. Eine Wand ist dunkelgrau und die Klamotten hängen lässig auf einer Kleiderstange. Schreibtisch, PC und Bildschirm fanden unter dem Hochbett Platz. Wir alle mögen auch diesen Style.

Vielen Dank, liebe Kerstin, für das Interview und die Bilder!

 

Mittwoch, 18. Dezember 2019

Zu Gast bei ...Marie-Lucine in Hannover

Marie-Lucine ist 32 Jahre alt und lebt mit ihrem Freund in einer 3-Zimmer-Altbauwohnung in Hannover. Beruflich arbeitet sie als Online-Redakteurin. Seit ihrer Schulzeit schlägt ihr Herz für die Fotografie. Sie wuchs in einem kreativen Umfeld auf, ihr Vater ist Künstler. Das sieht man! Ich liebe Maries individuellen Stil und dass sie fast nur Vintage-Möbel besitzt. Außerdem mag ich die schönen Geschichten zum Corbusier Sofa und zum Klavier. Lest, warum sie ein Piano besitzt, obwohl keiner bei ihnen Klavier spielt. Hereinspaziert in Maries schönes Zuhause!

Alle Fotos © Marie-Lucine / lucine.at.home

















Mir gefällt dein Wohnstil sehr, ich finde aber keine „Schublade“, was auch gut so ist! Wie würdest du ihn selbst beschreiben?

Haha, ja, ich finde auch, es ist kein fester Stil. Ich habe einfach Sachen, die ich mag. Ich würde ihn vielleicht einfach als einen Mix beschreiben. Oder ganz schnöde als „Vintage“, denn bis auf ein paar IKEA-Gegenstände ist eigentlich nichts neu bei uns. Ich finde aber auch, dass sich mein Stil immer wieder verändert. Ich räume ständig um, verbanne manches in den Keller und krame anderes wieder hervor. Meine Wohnung ist stets im Wandel, was meinen Freund manchmal in den Wahnsinn treibt.

Ihr habt ein Corbusier-Sofa, eins meiner liebsten Sofas und ein Klassiker. Unseres war ein Geschenk — woher habt ihr eures?

Ich liebe das Sofa auch total. Schon als Kind fand ich es toll. Als ich dann mit meinem Freund in meine erste echte Wohnung gezogen bin und nicht mehr in einem WG-Zimmer lebte, war mir klar: ich muss das haben. Ich habe dann fast ein Jahr bei Ebay Kleinanzeigen einen Suchauftrag gehabt, bis ich das Sofa zu einem für uns vertretbaren Preis gesehen habe. Wir haben es einem sehr netten älteren Architekten Ehepaar abgekauft, denen es nicht mehr gemütlich genug war. Sie wollten eher etwas zum „Draufrumlümmeln“ haben. Unser Glück!



Du arbeitest als Online-Redakteurin bei einer Berufsgenossenschaft — wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir aus?

Also an einem ganz typischen Arbeitstag gehe ich morgens in mein Büro, recherchiere Themen, lese mir z.B. Newsletter von Unfallversicherern durch oder suche nach neuen Kampagnen zum Arbeitsschutz. Dann schreibe ich eine kleine Newsmeldung darüber, gucke, ob wir ein passendes Bild in unserem Archiv haben oder mache schnell selbst eines und stelle die News dann auf unserer Website online. Zum Glück ist mein Job aber sehr abwechslungsreich, so gibt es auch viele untypische Arbeitstage. Da fahre ich dann mal auf eine Veranstaltung, von der ich berichte, konzipiere und erstelle unseren Newsletter oder schreibe das Storyboard für einen Erklärfilm.

Eure Fenster haben ja interessante „Vorbauten“. Sind das Schiebe-Elemente? Kannst du was dazu verraten?

Haha, also was ich als erstes verraten kann: sie sind unputzbar. Die äußeren Fenster sind nur einfach verglast, deswegen gibt es diese Vorbauten. Sie nennen sich Kastenfenster. Aber zurück zum Putzen: die äußeren Fenster gehen nach außen auf und sind durch den Vorbau nur schwer zu erreichen. Putzen ist hier lebensgefährlich. Die inneren Vorbauten sind, wie du schon erkannt hast, Schiebe-Elemente. Um die zu putzen müsste ich also in den Innenraum zwischen den beiden Fenstern klettern. Ich muss aber sagen, dass ich sie wunderschön finde. Deswegen würde ich unseren Vermieter nie bitten, sie auszutauschen.

Du hast noch einen weiteren Account „lucine.on.the.road“ auf Instagram, in der du deinen Landschaftsaufnahmen eine Plattform gibst. Seit wann hast du diese Foto-Leidenschaft?



Ich habe zu meinem 10. Geburtstag eine kleine analoge Kamera von meinen Eltern bekommen, die ich von da an keinen Moment mehr aus den Händen gelegt habe. Ich habe kleine „Shootings“ mit meinen Freunden gemacht oder Fundstücke auf der Straße fotografiert. Ich habe wirklich alles geknipst, was vor meine Linse kam und meine Eltern haben geduldig meine Filme und die Entwicklungskosten übernommen. Mit 16 oder 17 habe ich dann angefangen mit einer analogen Spiegelreflex schwarz-weiß zu fotografieren und die Filme selbst zu entwickeln. Das hat mir unheimlich Spaß gemacht. Nach dem Abitur hatte ich aber keine Möglichkeit mehr Filme zu entwickeln. Leider gab es dann einige Jahre, in denen ich mir das Umsteigen auf eine digitale Spiegelreflex nicht leisten konnte und mich das bisherige Fotografieren nicht mehr zufrieden stellte. Seit zwei Jahre habe ich meine jetzige Kamera und bin wieder mit viel Leidenschaft dabei. Ich behaupte immer, wäre ich damals richtig am Ball geblieben, wäre ich jetzt viel besser. Stimmt vielleicht aber gar nicht, haha.



Dein Vater ist Künstler — verrätst du uns, wer er ist? Hat er dich in irgendeiner Weise beeinflusst oder geprägt?



Hm, die Frage ist schwer für mich zu beantworten, obwohl natürlich ganz klar ist, dass es mich stark geprägt hat. Einrichtungstechnisch haben mich sicher meine beiden Eltern beeinflusst. Wir haben einen ähnlichen Geschmack, was Möbel und Gegenstände betrifft. Ich glaube generell, dass das Umfeld, in dem jemand aufwächst, auch den Geschmack prägt. Ich war als Kind viel in Ateliers oder eher alternativen Wohnungen aber genau so viel in Wohnungen mit toller Kunst an den Wänden und Bauhausklassikern im Wohnzimmer. Vielleicht kann man diesen Mix ja in meiner Wohnung wiederfinden? Viele meiner Lieblings-Möbelstücke, wie zum Beispiel meine Kaiser Idell oder die Sessel mit dem gelben Bezug wurden mir auch von meinen Eltern weitervererbt. Ach und ja klar, verrate ich euch seinen Namen: Ohannes Tapyuli.



Hast du Kunst von deinem Vater in deiner Wohnung und interessierst du dich selbst für Kunst?

Von ihm habe ich hier aktuell tatsächlich kein Bild bei mir hängen. In meinem Kinderzimmer zuhause hängt aber noch eins, das ich bald mitnehmen möchte. Zu meinem 30. Geburtstag hat mir mein Vater die Drucke von Klaus Heider, einem guten Freund von ihm, geschenkt, die jetzt in meinem Wohnzimmer hängen. Ich habe außerdem noch ein Bild von K.R.H. Sonderborg, das früher bei meinen Eltern über dem Bett hing. Dort lag ich stundenlang und habe mir die verschiedenen Striche und Formen angesehen. Ich bin überglücklich, das Bild nun bei mir hängen zu haben. Es löst einfach etwas in mir aus, wenn ich es ansehe und fühlt sich nach „zuhause“ an.

Liest du Wohnzeitschriften? Woher nimmst du deine Inspiration?

Ehrlich gesagt lese ich so was nur ganz selten. Mir sind die darin abgebildeten Räume oft zu glatt und die Möbel zu teuer. Mich inspirieren eher einige Instagram-Accounts. Außerdem gucke ich mir unheimlich gerne Aufnahmen von 70er-Jahre-Lofts oder midcentury-Wohnungen an. Da blätter ich dann eher durch ein paar Bücher, als durch eine Wohnzeitschrift. Aber auch Serien wie Mad Men haben mich einrichtungstechnisch beeinflusst. 




Welches ist dein Lieblingsmaterial?
 

Marmor, Glas und Edelstahl mag ich sehr gerne. Nicht unbedingt in Kombination, aber jedes Material für sich. Vielleicht, weil ich finde, dass diese kalten Oberflächen ein bisschen Ruhe in meine Wohnung bringen. Die finde ich nämlich oft zu vollgestopft und überladen.



Welche ist deine Lieblingsfarbe?



Puh, noch so eine schwere Frage. Früher habe ich in die Freundebücher immer „Blau“ geschrieben. Das stimmt aber höchstens für Pullover. Ich mag einfach die Kombination von verschiedenen Farben total gerne und finde es spannend, wie sich die Wirkung der einzelnen Farben dadurch verändert. Wenn ich mich in meiner Wohnung so umschaue, dann gibt es in einem Raum aber immer nur entweder Grundfarben oder nur Mischfarben. Scheinbar scheine ich das nicht so gerne zu kombinieren.



Welche Wohnanschaffung steht ganz oben auf deiner Liste?



Ein neues Regal fürs Wohnzimmer steht schon seit einer Weile auf meiner Liste. Toll fände ich da was von USM Haller, das wird aber nicht ins Budget passen. Also wird es vielleicht ein Second-Hand-Teak-Regal. Mal schauen, was mir da so über den Weg läuft. Oder ein schickes No-Name-Teil aus Metall.



Wo kaufst du deine Möbel?



Ich glaube fast 50 % bei Ebay Kleinanzeigen und 50% in Vintage-Möbelhallen und dergleichen. Neu ist bei mir nur ganz wenig. Ich liebe das Stöbern und Suchen und freue mich über Schnäppchen, die so auch noch ressourcenschonend sind.



Hast du ein Lieblingsmöbel bei dir zu Hause?



Das ist ganz klar das Corbusier Sofa, da mit ihm ein Kindheitswunsch in Erfüllung ging. Ja ich weiß, ich war ein Kind mit komischem Geschmack, haha.



Wo ist dein Lieblingsort in der Wohnung?

An meinem Schreibtisch halte ich mich sehr gerne auf. Dort arbeite ich nicht nur, sondern schaue auch Serien oder tobe mich auf die ein oder andere Art kreativ aus.



Wo ist dein Lieblingsort in Hannover?

 

Die Herrenhäuser Gärten und der Berggarten mit seinen Gewächshäusern sind toll für sonntägliche Spaziergänge.



Wohin wolltest du schon immer mal reisen?



Island, die US-Südstaaten und Norwegen im Winter sind alles Träume von mir. Da ich nicht fliege, wird davon aber wahrscheinlich höchstens Norwegen erfüllt werden. Ich habe dafür sogar schon Routen rausgesucht, die auch mit dem Zug möglich wären.



Welche Musik hörst du zur Zeit gerne?

Ich liebe 80er Darkwave. Ich sag ja, bei mir ist nichts neu. Wenn ich nebenher arbeite und schreibe, brauche ich aber oft Musik ohne richtige Texte, dann höre ich viel Yoga- und Meditationsmusik von Snatam Kaur.



Hast du einen Lieblingsschriftsteller? Welche Bücher kannst du empfehlen?

Als ich angefangen habe, Literatur und Kreatives Schreiben zu studieren habe ich gleichzeitig aufgehört zu lesen. Also nicht komplett, aber ich lese viel weniger als früher. Ich liebe aber Sasa Stanisic und Clemens Meyer und möchte als nächstes gerne „Conversation with friends“ von Sally Ronney lesen, davon habe ich sehr viel Gutes gehört.


Wer spielt bei euch Klavier?

Haha, also eigentlich keiner! Seitdem ich mit meinem Freund zusammen bin hat er davon gesprochen, dass Klavierspielen sein großer Traum ist. Als sein 30. Geburtstag ins Haus stand war ich gerade auf der Suche nach einem neuen Job, hatte also viel Zeit und wenig Geld und die fixe Idee im Kopf, ihn mit einem Klavier zu überraschen. Das gute Stück habe ich dann auch wirklich sehr sehr günstig gefunden. Der Transport trieb mich allerdings in den Ruin. Sein Blick, als er das Zimmer betrat und plötzlich ein Klavier an der Wand stand war aber unbezahlbar. Heute spiele aber nur ich ab und an ein paar Kinderlieder, etwas Anspruchsvolleres als das kann ich leider nicht. 


Vielen Dank an Marie für die Fotos und das Interview!