Mittwoch, 11. März 2020

Zu Gast bei ...Miriam in Póvoa de Varzim

Premiere auf Philuko — diese Homestory führt uns erstmals in den Süden, genauer nach Portugal, wo Miriam mit ihrem portugiesischen Mann Pedro Seixas, Fotograf aus Porto, einen Schatz von Zweitwohnsitz gefunden und eingerichtet hat. Entdeckt habe ich ihre Fotos auf Instagram und war so was von begeistert (mehr auf frau.kieselstein).

Miriam und Pedro wohnen in Hamburg und arbeiten beide bei einer großen PR Agentur. Ihr Job ist recht digital, was ihnen erlaubt, von Zeit zu Zeit auch von Portugal aus arbeiten zu können, wo sie in Póvoa de Varzim im Frühjahr 2019 ihre wirklich beneidenswert schöne Wohnung gefunden haben — sie liegt eine Straße vom Meer entfernt. (Noch mehr Neid!)

Miriam kommt ursprünlich aus der Kultur, hat Kunst- und Kulturwissenschaft studiert und ein Volontariat an einem Museum für zeitgenössische Kunst gemacht. Danach arbeitete sie einige Jahre als freie Produzentin am jungen Theater. Die Beschäftigung mit Kunst und Stilen war lange Zeit Miriams Job, das spiegelt sich auch in ihren vier Wänden wider.

Lest unter den Bildern, wer der prominente Vorbesitzer dieser Traumwohung war und welches skandinavische Magazin sie zum „Instagrammer of the week“ kürte. Hereinspaziert in Miriams portugiesischen Wohntraum!

Alle Fotos © Miriam / frau.kieselstein























Miriam, du bist die erste, die mit einem Zweitwohnsitz bei mir mit einer Homestory vertreten ist — und zwar mit einem wunderschönen in Portugal! Wie kam es dazu? Erzählst du uns deine Geschichte?

Das Örtchen heißt Póvoa de Varzim und liegt eine halbe Stunde nördlich von Porto, direkt am Atlantik. Es ist ein Lebenstraum, der für uns in Erfüllung gegangen ist, denn mein Mann wollte sehr gerne ein zweites Zuhause in seiner alten Heimat haben und ich wollte schon immer einen Wohnsitz am Meer, das ich über alles liebe. Beides hat sich für uns nun erfüllt, und wir sind superhappy, dass wir nach gut einem Jahr Suchen dieses Juwel entdeckt haben. 


Die Suche war am Anfang ziemlich frustrierend. Wie überall in Europa sind auch in Portugal die Preise für Immobilien seit der Finanzkrise explodiert, wir haben uns viele Immobilien angesehen zu wirklich unverschämten Preisen. Irgendwann haben wir unsere Suche erweitert von Porto in die umliegenden Orte und sind dann recht schnell fündig geworden. 115 liebevoll renovierte Quadratmeter plus kleiner Terrasse und Patio warteten auf uns! Die Vorbesitzer, eine Familie recht bekannter Architekten aus Lissabon, hatten das Haus überaus behutsam renoviert und so viele alte Elemente wie möglich erhalten, ein großes Glück für uns, denn wir beide lieben Altbau und haben tatsächlich ausschließlich danach gesucht. 

Das Haus hat zudem eine besondere Geschichte — es war das Wohnhaus von Antonio dos Santos Graça, ist über unserer Haustür sogar eingemeißelt. Der war um die Jahrhundertwende Senator von Porto (das ist so etwas wie Ministerpräsident) und trug mit dazu bei, die damalige Monarchie zur Demokratie umzubilden. Außerdem war er ein linker Intellektueller, der nebenbei als Schriftsteller und Ethnologe arbeitete und mehrere Bücher veröffentlichte. Es ist so toll darin zu lesen, wie er Schriftstellerfreunde bei sich zu Hause empfängt und sie die Abende damit zubringen, über ihre neuen Werke zu diskutieren, während man bei uns im Wohnzimmer sitzt und sich vorstellt, dass es vermutlich genau hier vor 100 Jahren statt gefunden hat.

Wie oft seid ihr an diesem traumhaften Ort?

 
Siehe oben — so oft es geht, Urlaub und zeitweise Home Office.

Gab es Schwierigkeiten oder Hürden bei der Renovierung?

Renovieren mussten wir glücklicherweise nicht, die Wohnung war bei Kauf in Top-Zustand. Allerdings waren sämtliche Holzpaneele sowie Türen und Fenster in leuchtendem Gelb lackiert (auf einigen Fotos im Feed bei mir siehst du das auch noch, wir nehmen uns gerade Raum für Raum vor zum neu Streichen). Das hat allerdings einen besonderen Hintergrund, denn das ist der historische Originalfarbton. Nicht zufällig trug die Familie im Ort den Spitznamen „os Amarelos“ (die Gelben). Die Fassade dürfen wir daher nicht verändern, aber in der Wohnung streichen wir. Ansonsten ist nur der Aussenbereich renovierungsbedürftig. Die Terrasse wollen wir gern dieses Jahr machen, Patio wird eine größere Baumaßnahme, das machen wir mal irgendwann wenn wir Geld und Zeit übrig haben (würden hier gern einen Vertical Garden anlegen lassen, da rundherum Mauern sind).

Hattest du ein „Einrichtungskonzept“? Wie habt ihr das Einrichten logistisch gelöst?

Ich habe recht schnell gemerkt, dass ich mit dem typischen Skandistil dort nicht weiter komme. Er wirkte im mediterranen Süden unpassend und in dem intensiveren Licht erschien die nordische Farbpalette total blass. Zwar wollte ich mich nicht komplett von einigen Skandilieblingen verabschieden, aber es brauchte etwas südlichen Pepp, sowohl was Farben als auch Materialien betraf. So war die Idee fürs Terrakotta recht schnell geboren.

Und ja, ich erstelle immer zuerst ein Farbkonzept, dann kommen Strukturen hinzu und dann recherchiere ich passende Möbel. Auch wenn es in der Regel recht geplant zugeht, heißt das aber nicht, dass ich spontane Aktionen ausschließe — tatsächlich kommen die besten Entscheidungen dann doch aus dem Bauch, wie die leuchtend lilafarbene Wand bei uns.

Das logistisch zu lösen war bzw. ist nach wie vor eine Herausforderung — viele Firmen, bei denen ich in Deutschland gern bestelle, liefern nicht nach Portugal und ich kenne die Infrastruktur dort noch nicht so gut, dass ich leicht auf Ersatz ausweichen könnte. Für die Anlieferung unterstützt uns die Familie meines Mannes vor Ort und Paula, die liebe Ladenbesitzerin unten bei uns im Haus, die schon einige LKW-Ladungen angenommen und die Tür aufgeschlossen hat. Ohne die tatkräftige Unterstützung so lieber Menschen vor Ort wäre das alles gar nicht machbar!

Wie würdest du deinen Wohnstil beschreiben?

Ein eklektizistischer Mix aus skandinavischen Klassikern und dem entspannten Boho-Stil Südeuropas, mit viel Kunst und einigen lokalen Designfunden angereichert. Ich liebe Brüche, das Unerwartete, und löse mich gern von tradierten Erwartungen oder Stilen.

Woher nimmst du deine Inspiration für deine Einrichtung? Hattest du schon immer eine Leidenschaft für Möbel?

Tatsächlich inspiriert mich alles. Ich glaube, ich bin eine ganz gute Beobachterin und habe einen Blick für Details, daher kann ich jederzeit Inspiration aus meinem direkten Umfeld schöpfen. Das kann der Kleidungsstil sein der Frau, die mir in der S-Bahn gegenüber sitzt, zufällig platzierte Gegenstände auf unserem Esstisch, bunte Hausfassaden in einer fremden Stadt. Oder eben die Kunst —sei es im Museum oder auf der Straße in Form von Graffiti. Außerdem liebe ich raumgreifende Installationskunst, weil sie mit unserer Wahrnehmung von Räumlichkeit spielt, das inspiriert mich ebenfalls immer sehr!

Ja, wenn ich so zurück denke hat mich das tatsächlich schon immer begeistert. Schon als kleines Mädchen habe ich am liebsten mit meinem Puppenhaus gespielt. Aber nicht, um Familie zu spielen, die Puppen waren mir egal und sie verschwanden recht schnell in einem Karton, aber ich liebte, die Räume immer wieder neu zu dekorieren und bastelte allerlei dafür. Als Studentin holte ich auch aus Budgetgründen viele Möbel vom Sperrmüll oder Flohmarkt, die ich dann selbst aufarbeitete. Tatsächlich bin ich ein ziemlicher Autodidakt und brachte mir das fachgerechte Restaurieren antiker Möbel komplett selbst bei. Noch heute arbeite ich sehr gern mit den Händen und werkele an Sachen für die Wohnung rum, der perfekte Ausgleich zum Büro.

Liest du Wohnzeitschriften?

Klar, und vermutlich die, die auch alle anderen lesen: Die Couch, die Living at Home und wenn ich in Dänemark bin hole ich mir gern die Bolig, für mich eines der inspirierendsten Interiormagazine überhaupt (umso mehr habe ich mich geehrt gefühlt, von ihnen vor kurzem als Instagrammer of the week ausgewählt worden zu sein). Aber wie gesagt, meine eigentliche Inspiration hole ich mir eher in fachfremden Bereichen.

Welches ist dein Lieblingsmaterial?

Kann ich gar nicht so genau sagen, das wechselt oft und erst der Mix mit verschiedenen kontrastierenden Materialien wird spannend. Grundsätzlich liebe ich aber alle Arten von Holz, besonders helle Eiche zieht mich momentan magisch an.

Welche ist deine Lieblingsfarbe?

Tatsächlich habe ich keine. Ich mag wirklich alle Farben gern. Spannend werden Farben, wie auch Materialien, sowieso erst in der Kombination. Generell bin ich ein Freund von Farben, auch wenn ich andere Feeds immer um ihren cleanen Look in Beigetönen bewundere, könnte ich das niemals durchhalten. Dafür finde ich Farben einfach viel zu spannend!

Welche Künstler magst du gerne?

Auch hier habe ich nicht „den einen“ Künstler und mag tatsächlich sehr verschiedene Stilrichtungen. Prägend waren aber sicherlich die großen Künstler der Moderne, ich liebe die Formensprache eines Paul Klee und den Umgang mit Farbe bei Van Gogh. Ich lasse mich aber auch gern inspirieren von junger Street Art und liebe die Art, wie sie urbanen Raum in neue Kontexte setzt. Und dann gibt es auch noch politische Kunst, die mich oft tief berührt und aufwühlt, Santiago Sierra und Ai Wei Wei beispielsweise.

Welche Wohnanschaffung steht ganz oben auf deiner Liste?

Oh, die Liste ist recht agil und nicht sonderlich strukturiert. Jetzt gerade freue ich mich am meisten, dass unser Schrank von HK Living eingetroffen ist (aus der gleichen Serie wie unser Sideboard) und wir demnächst das Schlafzimmer umstylen — es wird ein Mix aus japanischer Formensprache und Boho-Materialien, natürlich wieder recht farbenfroh, aber eine andere Palette als im Wohnzimmer, man darf gespannt sein...

Wo kaufst du deine Möbel?

Hauptsächlich online, wichtigstes Kriterium: liefern sie nach Portugal?

Hast du ein Lieblingsmöbel bei dir zu Hause?

Ich mag alle unsere Möbel sehr gern und wähle sehr sorgfältig aus. Besonders gefeiert habe ich aber unser Sideboard, das liebe ich wirklich sehr und es passt perfekt zum Look.

Wo ist dein Lieblingsort in der Wohnung?

Oh, da gibt es so viele! Sehr gern sitze ich in unserem Wintergarten, am liebsten in der Sonne bei geöffneten Fenstern. Da das Meer nur eine Straße entfernt ist, kann man je nach Windrichtung die Wellen rauschen hören. Das liebe ich!

Ansonsten finde ich es aber auch toll, vorn auf unserem kleinen französischen Balkon zu sitzen und das bunte Treiben der Straße zu beobachten. Unser Haus ist in der Fußgängerzone und man kann ganz wunderbar die Passanten und Ladenbesitzer bei einer Tasse Kaffee beobachten. Außerdem führt einer der Jakobswege durch die Straße, es gibt also recht viele Touristen auf der Durchreise nach Santiago.

Wo ist dein Lieblingsort in Póvoa de Varzim?

Zum einen natürlich am Strand, der tatsächlich sehr weitläufig ist. Nicht zufällig ist der Ort in Portugal und Spanien ein bekannter Badeort. Zum anderen gibt es eine ganz wunderbare Restaurantszene in dem Ort — eines unserer liebsten Restaurants ist das Theatro, das alte Stadttheater, das vor einem Jahr umgebaut wurde und bereits zu den besten Restaurants in Portugal gehört. Es ist ein wunderschöner Bau aus dem 20. Jahrhundert und beherbergt zugleich einen Buchladen, man ist beim Essen also von Büchern umgeben und kann hin und wieder auch einer Lesung lauschen während des Essens. Eine ganz besondere Atmosphäre!

Wohin wolltest du schon immer mal reisen?

Vietnam und Chile stehen bei uns ganz oben auf der Liste! Ich liebe die bunten Farben Asiens und das Essen! Aus Chile kommt eine meiner besten Freundinnen und wir planen seit Jahren eine Rundreise. Ansonsten würde ich gern noch einmal nach Island — es ist einfach magisch dort!

Welche Musik hörst du zur Zeit gerne?

Oh, das wechselt und ist sehr stimmungsabhängig. Ich bin eher eine Indietante und mag Singer Songwriter recht gern. Daughter ist in dem Bereich eine meiner Lieblingsbands. Ich mag aber auch guten Elektro, Robot Koch, John Hopkins oder Moderat. Und natürlich darf auch portugiesische Musik nicht fehlen an der Stelle! Luisa Sobral ist eine moderne Vertreterin des Fado, die ich sehr gern höre. Ansonsten kann ich noch Dead Combo empfehlen, tolle Gitarren! Und im Singer Songwriterbereich ist Noiserv für mich der Mann der Stunde Portugals.

Hast du einen Lieblingsschriftsteller? Welches Buch kannst du empfehlen?

Ich muss gestehen, dass ich recht wenig Bücher gelesen habe in den letzten Jahren. Allerdings bin ich ein großer Fan von Literatur des 20. Jahrhunderts. „Das Paradies der Damen“ von Emile Zola finde ich unfassbar spannend, da es sehr bildgewaltig das Leben im Zeitalter beginnender Industrialisierung beschreibt, der Automatisierung und ja, fortschreitenden Kapitalisierung der Gesellschaft, mit all seinen Verheißungen und Abgründen — und das aus der Perspektive der Frauen.

Daneben liebe ich die Bücher von Virginia Woolf. Ihrer eindringlichen Sprache und sensiblen Bestandsaufnahme innerer Gefühlswelten kann man sich nur schwer entziehen. Außerdem bin ich ein Fan von kunstvollen Graphic Novels — habe mir letztes Jahr eine beeindruckende Version von Dr. Jekyll und Mr. Hyde bei Lello geholt, der berühmten Buchhandlung in Portos Altstadt (angeblich wurde J.K. Rowling dort inspiriert zu Harry Potter).

Und ein besonderer Schatz ist für mich auch „Der Mordbrand von Œrnolfsdalur“, erschienen im Galiani Verlag in Berlin. Es versammelt einige der bekanntesten Islandsagas, neu erzählt und sehr kunstvoll illustriert. Ich glaube, da kommt die Kulturwissenschaftlerin in mir durch, denn als solche interessiere ich mich tatsächlich sehr für die Märchen und Sagen einer Kultur, die diese ja oft bis heute prägen als Teil kultureller Identität.

Oh, und noch eines meiner Lieblingsbücher, das sich auch toll als Geschenk eignet, weil es nie an Aktualität verliert und geprägt ist von einem anrührenden, kindlichen Humor, der zugleich so philosophisch-tiefgründig ist wie „Der kleine Prinz“: „Findet mich das Glück?“ des bekannten Künstlerduos Fischli und Weiß. Großartig!

Ansonsten liebe ich toll illustrierte Kinderbücher und habe mittlerweile tatsächlich schon eine kleine Sammlung. Eines meiner Lieblingsbücher und neuesten Entdeckungen ist eine Neuerzählung des Klassikers Moby Dick. Es ist ein Bilderbuch mit nur wenigen Sätzen pro Seite, dafür aber sehr kunstvollen Bildern, die vor Phantasie nur so sprudeln. Es heißt „Arhab e a baleia branca“ von Manuel Marsol, kommt ursprünglich aus dem Spanischen und hat zu Recht bereits mehrere Preise gewonnen.
 

Vielen Dank an Miriam für die Fotos und das interessante Interview!

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