Premiere auf Philuko — diese Homestory führt uns erstmals in den Süden, genauer nach Portugal, wo Miriam mit ihrem portugiesischen Mann Pedro Seixas, Fotograf aus Porto, einen Schatz von Zweitwohnsitz gefunden und eingerichtet hat. Entdeckt habe ich ihre Fotos auf Instagram und war so was von begeistert (mehr auf frau.kieselstein).
Miriam und Pedro wohnen in Hamburg und arbeiten beide bei einer großen PR Agentur. Ihr Job ist recht digital, was ihnen erlaubt, von Zeit zu Zeit auch von Portugal aus arbeiten zu können, wo sie in Póvoa de Varzim im Frühjahr 2019 ihre wirklich beneidenswert schöne Wohnung gefunden haben — sie liegt eine Straße vom Meer entfernt. (Noch mehr Neid!)
Miriam kommt ursprünlich aus der Kultur, hat Kunst- und Kulturwissenschaft studiert und ein Volontariat an
einem Museum für zeitgenössische Kunst gemacht. Danach arbeitete sie einige
Jahre als freie Produzentin am jungen Theater. Die
Beschäftigung mit Kunst und Stilen war lange Zeit Miriams Job, das spiegelt sich auch in ihren vier Wänden wider.
Lest unter den Bildern, wer der prominente Vorbesitzer dieser Traumwohung war und welches skandinavische Magazin sie zum „Instagrammer of the week“ kürte. Hereinspaziert in Miriams portugiesischen Wohntraum!
Alle Fotos © Miriam / frau.kieselstein
Miriam,
du bist die erste, die mit einem Zweitwohnsitz bei mir mit einer
Homestory vertreten ist — und zwar mit einem wunderschönen in Portugal!
Wie kam es dazu? Erzählst du uns deine Geschichte?
Das
Örtchen heißt Póvoa de Varzim und liegt eine halbe Stunde nördlich von
Porto, direkt am Atlantik. Es ist ein Lebenstraum, der für uns in
Erfüllung gegangen ist, denn mein Mann wollte sehr gerne ein zweites
Zuhause in seiner alten Heimat haben und ich wollte schon immer einen
Wohnsitz am Meer, das ich über alles liebe. Beides hat sich für uns nun
erfüllt, und wir sind superhappy, dass wir nach gut einem Jahr Suchen
dieses Juwel entdeckt haben.
Die
Suche war am Anfang ziemlich frustrierend. Wie überall in Europa sind
auch in Portugal die Preise für Immobilien seit der Finanzkrise
explodiert, wir haben uns viele Immobilien angesehen zu wirklich
unverschämten Preisen. Irgendwann haben wir unsere Suche erweitert von
Porto in die umliegenden Orte und sind dann recht schnell fündig
geworden. 115 liebevoll renovierte Quadratmeter plus kleiner Terrasse
und Patio warteten auf uns! Die Vorbesitzer, eine Familie recht
bekannter Architekten aus Lissabon, hatten das Haus überaus behutsam
renoviert und so viele alte Elemente wie möglich erhalten, ein großes
Glück für uns, denn wir beide lieben Altbau und haben tatsächlich
ausschließlich danach gesucht.
Das
Haus hat zudem eine besondere Geschichte — es war das Wohnhaus von
Antonio dos Santos Graça, ist über unserer Haustür sogar eingemeißelt.
Der war um die Jahrhundertwende Senator von Porto (das ist so etwas wie
Ministerpräsident) und trug mit dazu bei, die damalige Monarchie zur
Demokratie umzubilden. Außerdem war er ein linker Intellektueller, der
nebenbei als Schriftsteller und Ethnologe arbeitete und mehrere Bücher
veröffentlichte. Es ist so toll darin zu lesen, wie er
Schriftstellerfreunde bei sich zu Hause empfängt und sie die Abende
damit zubringen, über ihre neuen Werke zu diskutieren, während man bei
uns im Wohnzimmer sitzt und sich vorstellt, dass es vermutlich genau
hier vor 100 Jahren statt gefunden hat.
Wie oft seid ihr an diesem traumhaften Ort?
Siehe oben — so oft es geht, Urlaub und zeitweise Home Office.
Gab es Schwierigkeiten oder Hürden bei der Renovierung?
Renovieren
mussten wir glücklicherweise nicht, die Wohnung war bei Kauf in
Top-Zustand. Allerdings waren sämtliche Holzpaneele sowie Türen und
Fenster in leuchtendem Gelb lackiert (auf einigen Fotos im Feed bei mir
siehst du das auch noch, wir nehmen uns gerade Raum für Raum vor zum neu
Streichen). Das hat allerdings einen besonderen Hintergrund, denn das
ist der historische Originalfarbton. Nicht zufällig trug die Familie im
Ort den Spitznamen „os Amarelos“ (die Gelben). Die Fassade dürfen wir
daher nicht verändern, aber in der Wohnung streichen wir. Ansonsten ist
nur der Aussenbereich renovierungsbedürftig. Die Terrasse wollen wir
gern dieses Jahr machen, Patio wird eine größere Baumaßnahme, das machen
wir mal irgendwann wenn wir Geld und Zeit übrig haben (würden hier gern
einen Vertical Garden anlegen lassen, da rundherum Mauern sind).
Hattest du ein „Einrichtungskonzept“? Wie habt ihr das Einrichten logistisch gelöst?
Ich
habe recht schnell gemerkt, dass ich mit dem typischen Skandistil dort
nicht weiter komme. Er wirkte im mediterranen Süden unpassend und in dem
intensiveren Licht erschien die nordische Farbpalette total blass. Zwar
wollte ich mich nicht komplett von einigen Skandilieblingen
verabschieden, aber es brauchte etwas südlichen Pepp, sowohl was Farben
als auch Materialien betraf. So war die Idee fürs Terrakotta recht
schnell geboren.
Und ja, ich erstelle immer zuerst ein
Farbkonzept, dann kommen Strukturen hinzu und dann recherchiere ich
passende Möbel. Auch wenn es in der Regel recht geplant zugeht, heißt
das aber nicht, dass ich spontane Aktionen ausschließe — tatsächlich
kommen die besten Entscheidungen dann doch aus dem Bauch, wie die
leuchtend lilafarbene Wand bei uns.
Das logistisch zu lösen war
bzw. ist nach wie vor eine Herausforderung — viele Firmen, bei denen ich
in Deutschland gern bestelle, liefern nicht nach Portugal und ich kenne
die Infrastruktur dort noch nicht so gut, dass ich leicht auf Ersatz
ausweichen könnte. Für die Anlieferung unterstützt uns die Familie
meines Mannes vor Ort und Paula, die liebe Ladenbesitzerin unten bei uns
im Haus, die schon einige LKW-Ladungen angenommen und die Tür
aufgeschlossen hat. Ohne die tatkräftige Unterstützung so lieber
Menschen vor Ort wäre das alles gar nicht machbar!
Wie würdest du deinen Wohnstil beschreiben?
Ein
eklektizistischer Mix aus skandinavischen Klassikern und dem
entspannten Boho-Stil Südeuropas, mit viel Kunst und einigen lokalen
Designfunden angereichert. Ich liebe Brüche, das Unerwartete, und löse
mich gern von tradierten Erwartungen oder Stilen.
Woher nimmst du deine Inspiration für deine Einrichtung? Hattest du schon immer eine Leidenschaft für Möbel?
Tatsächlich
inspiriert mich alles. Ich glaube, ich bin eine ganz gute Beobachterin
und habe einen Blick für Details, daher kann ich jederzeit Inspiration
aus meinem direkten Umfeld schöpfen. Das kann der Kleidungsstil sein der
Frau, die mir in der S-Bahn gegenüber sitzt, zufällig platzierte
Gegenstände auf unserem Esstisch, bunte Hausfassaden in einer fremden
Stadt. Oder eben die Kunst —sei es im Museum oder auf der Straße in Form
von Graffiti. Außerdem liebe ich raumgreifende Installationskunst, weil
sie mit unserer Wahrnehmung von Räumlichkeit spielt, das inspiriert
mich ebenfalls immer sehr!
Ja, wenn ich so zurück denke hat mich
das tatsächlich schon immer begeistert. Schon als kleines Mädchen habe
ich am liebsten mit meinem Puppenhaus gespielt. Aber nicht, um Familie
zu spielen, die Puppen waren mir egal und sie verschwanden recht schnell
in einem Karton, aber ich liebte, die Räume immer wieder neu zu
dekorieren und bastelte allerlei dafür. Als Studentin holte ich auch aus
Budgetgründen viele Möbel vom Sperrmüll oder Flohmarkt, die ich dann
selbst aufarbeitete. Tatsächlich bin ich ein ziemlicher Autodidakt und
brachte mir das fachgerechte Restaurieren antiker Möbel komplett selbst
bei. Noch heute arbeite ich sehr gern mit den Händen und werkele an
Sachen für die Wohnung rum, der perfekte Ausgleich zum Büro.
Liest du Wohnzeitschriften?
Klar,
und vermutlich die, die auch alle anderen lesen: Die Couch, die Living
at Home und wenn ich in Dänemark bin hole ich mir gern die Bolig, für
mich eines der inspirierendsten Interiormagazine überhaupt (umso mehr
habe ich mich geehrt gefühlt, von ihnen vor kurzem als Instagrammer of
the week ausgewählt worden zu sein). Aber wie gesagt, meine eigentliche
Inspiration hole ich mir eher in fachfremden Bereichen.
Welches ist dein Lieblingsmaterial?
Kann
ich gar nicht so genau sagen, das wechselt oft und erst der Mix mit
verschiedenen kontrastierenden Materialien wird spannend. Grundsätzlich
liebe ich aber alle Arten von Holz, besonders helle Eiche zieht mich
momentan magisch an.
Welche ist deine Lieblingsfarbe?
Tatsächlich
habe ich keine. Ich mag wirklich alle Farben gern. Spannend werden
Farben, wie auch Materialien, sowieso erst in der Kombination. Generell
bin ich ein Freund von Farben, auch wenn ich andere Feeds immer um ihren
cleanen Look in Beigetönen bewundere, könnte ich das niemals
durchhalten. Dafür finde ich Farben einfach viel zu spannend!
Welche Künstler magst du gerne?
Auch
hier habe ich nicht „den einen“ Künstler und mag tatsächlich sehr
verschiedene Stilrichtungen. Prägend waren aber sicherlich die großen
Künstler der Moderne, ich liebe die Formensprache eines Paul Klee und
den Umgang mit Farbe bei Van Gogh. Ich lasse mich aber auch gern
inspirieren von junger Street Art und liebe die Art, wie sie urbanen
Raum in neue Kontexte setzt. Und dann gibt es auch noch politische
Kunst, die mich oft tief berührt und aufwühlt, Santiago Sierra und Ai
Wei Wei beispielsweise.
Welche Wohnanschaffung steht ganz oben auf deiner Liste?
Oh,
die Liste ist recht agil und nicht sonderlich strukturiert. Jetzt
gerade freue ich mich am meisten, dass unser Schrank von HK Living
eingetroffen ist (aus der gleichen Serie wie unser Sideboard) und wir
demnächst das Schlafzimmer umstylen — es wird ein Mix aus japanischer
Formensprache und Boho-Materialien, natürlich wieder recht farbenfroh,
aber eine andere Palette als im Wohnzimmer, man darf gespannt sein...
Wo kaufst du deine Möbel?
Hauptsächlich online, wichtigstes Kriterium: liefern sie nach Portugal?
Hast du ein Lieblingsmöbel bei dir zu Hause?
Ich
mag alle unsere Möbel sehr gern und wähle sehr sorgfältig aus.
Besonders gefeiert habe ich aber unser Sideboard, das liebe ich wirklich
sehr und es passt perfekt zum Look.
Wo ist dein Lieblingsort in der Wohnung?
Oh,
da gibt es so viele! Sehr gern sitze ich in unserem Wintergarten, am
liebsten in der Sonne bei geöffneten Fenstern. Da das Meer nur eine
Straße entfernt ist, kann man je nach Windrichtung die Wellen rauschen
hören. Das liebe ich!
Ansonsten finde ich es aber auch toll, vorn
auf unserem kleinen französischen Balkon zu sitzen und das bunte
Treiben der Straße zu beobachten. Unser Haus ist in der Fußgängerzone
und man kann ganz wunderbar die Passanten und Ladenbesitzer bei einer
Tasse Kaffee beobachten. Außerdem führt einer der Jakobswege durch die
Straße, es gibt also recht viele Touristen auf der Durchreise nach
Santiago.
Wo ist dein Lieblingsort in Póvoa de Varzim?
Zum
einen natürlich am Strand, der tatsächlich sehr weitläufig ist. Nicht
zufällig ist der Ort in Portugal und Spanien ein bekannter Badeort. Zum
anderen gibt es eine ganz wunderbare Restaurantszene in dem Ort — eines
unserer liebsten Restaurants ist das Theatro, das alte Stadttheater, das
vor einem Jahr umgebaut wurde und bereits zu den besten Restaurants in
Portugal gehört. Es ist ein wunderschöner Bau aus dem 20. Jahrhundert
und beherbergt zugleich einen Buchladen, man ist beim Essen also von
Büchern umgeben und kann hin und wieder auch einer Lesung lauschen
während des Essens. Eine ganz besondere Atmosphäre!
Wohin wolltest du schon immer mal reisen?
Vietnam
und Chile stehen bei uns ganz oben auf der Liste! Ich liebe die bunten
Farben Asiens und das Essen! Aus Chile kommt eine meiner besten
Freundinnen und wir planen seit Jahren eine Rundreise. Ansonsten würde
ich gern noch einmal nach Island — es ist einfach magisch dort!
Welche Musik hörst du zur Zeit gerne?
Oh,
das wechselt und ist sehr stimmungsabhängig. Ich bin eher eine
Indietante und mag Singer Songwriter recht gern. Daughter ist in dem
Bereich eine meiner Lieblingsbands. Ich mag aber auch guten Elektro,
Robot Koch, John Hopkins oder Moderat. Und natürlich darf auch
portugiesische Musik nicht fehlen an der Stelle! Luisa Sobral ist eine
moderne Vertreterin des Fado, die ich sehr gern höre. Ansonsten kann ich
noch Dead Combo empfehlen, tolle Gitarren! Und im Singer
Songwriterbereich ist Noiserv für mich der Mann der Stunde Portugals.
Hast du einen Lieblingsschriftsteller? Welches Buch kannst du empfehlen?
Ich
muss gestehen, dass ich recht wenig Bücher gelesen habe in den letzten
Jahren. Allerdings bin ich ein großer Fan von Literatur des 20.
Jahrhunderts. „Das Paradies der Damen“ von Emile Zola finde ich
unfassbar spannend, da es sehr bildgewaltig das Leben im Zeitalter
beginnender Industrialisierung beschreibt, der Automatisierung und ja,
fortschreitenden Kapitalisierung der Gesellschaft, mit all seinen
Verheißungen und Abgründen — und das aus der Perspektive der Frauen.
Daneben
liebe ich die Bücher von Virginia Woolf. Ihrer eindringlichen Sprache
und sensiblen Bestandsaufnahme innerer Gefühlswelten kann man sich nur
schwer entziehen. Außerdem bin ich ein Fan von kunstvollen Graphic
Novels — habe mir letztes Jahr eine beeindruckende Version von Dr.
Jekyll und Mr. Hyde bei Lello geholt, der berühmten Buchhandlung in
Portos Altstadt (angeblich wurde J.K. Rowling dort inspiriert zu Harry
Potter).
Und ein besonderer Schatz ist für mich auch „Der
Mordbrand von Œrnolfsdalur“, erschienen im Galiani Verlag in Berlin. Es
versammelt einige der bekanntesten Islandsagas, neu erzählt und sehr
kunstvoll illustriert. Ich glaube, da kommt die Kulturwissenschaftlerin
in mir durch, denn als solche interessiere ich mich tatsächlich sehr für
die Märchen und Sagen einer Kultur, die diese ja oft bis heute prägen
als Teil kultureller Identität.
Oh, und noch eines meiner
Lieblingsbücher, das sich auch toll als Geschenk eignet, weil es nie an
Aktualität verliert und geprägt ist von einem anrührenden, kindlichen
Humor, der zugleich so philosophisch-tiefgründig ist wie „Der kleine
Prinz“: „Findet mich das Glück?“ des bekannten Künstlerduos Fischli und
Weiß. Großartig!
Ansonsten liebe ich toll illustrierte
Kinderbücher und habe mittlerweile tatsächlich schon eine kleine
Sammlung. Eines meiner Lieblingsbücher und neuesten Entdeckungen ist
eine Neuerzählung des Klassikers Moby Dick. Es ist ein Bilderbuch mit
nur wenigen Sätzen pro Seite, dafür aber sehr kunstvollen Bildern, die
vor Phantasie nur so sprudeln. Es heißt „Arhab e a baleia branca“ von
Manuel Marsol, kommt ursprünglich aus dem Spanischen und hat zu Recht
bereits mehrere Preise gewonnen.
Vielen Dank an Miriam für die Fotos und das interessante Interview!
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